In der Online-Umfrage zum Internationalen Jugendtag 2019 (IJT) vor einigen Monaten zeigten sich Jugendliche vor allem interessiert an Glaubensthemen. Also liegen die Westdeutschen mit ihrem IJT-Projekt voll im Trend: Sie planen einen Besinnungsweg zu den Geboten.
Warum nicht eine gelungene Aktion wiederholen? Am Europa-Jugendtag 2009 hatten hessische Jugendliche in einer der Messehallen einen Besinnungsweg gestaltet, damals unter dem Titel Walk the Lord‘s Prayer zum Vaterunser. Sie hatten die einzelnen Bitten des Vaterunser in zehn Bereichen dargestellt, die die Besucher durschreiten konnten. Dabei konnten sie Aufgaben lösen, Denkanstöße mitnehmen oder einfach ein bisschen Ruhe tanken und nachdenken.
Aber auch die Jugendlichen, die sich die Stationen des Wegs ausgedacht und sie praktisch umgesetzt hatten, nahmen etwas mit: den Spaß, den sie bei der gemeinsamen Arbeit hatten, und neue, tiefgehende Gedanken zu dem Gebet, das in den Gemeinden in jedem Gottesdienst gesprochen wird. Kein Wunder also, dass beim Brainstorming zu einem möglichen Projekt für den IJT die Idee eines Revivals großen Anklang fand.
Nicht nur konsumieren, sondern erleben
Das neue Projekt heißt Dein Weg und soll Jugendlichen die Gebote nahebringen – nicht nur theoretisch, sondern sozusagen zum Anfassen. Johannes Herber, Jugendbetreuer in Taunusstein, erklärt das Konzept: „Die Besucher werden in einem Eingangsbereich empfangen. Dann können sie acht Bereiche durchwandern, die jeweils etwa 50 Quadratmeter groß sind. In jedem werden ein oder zwei Gebote vorgestellt, und die Besucher können sich selbst, ihre Einstellung und ihr Handeln an den Geboten messen und reflektieren.“
Damit der Weg bunt und abwechslungsreich wird, sind die einzelnen Gebote unter neun Jugendgruppen aus der ehemaligen Gebietskirche Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland verlost worden, die sich am Projekt beteiligen. Es bleibt übrigens nicht bei den Zehn Geboten des Alten Testaments; am Schluss wird auch das Doppelgebot der Liebe vorgestellt.
Was die Besucher im Detail erwartet, soll eine Überraschung bleiben, aber ein paar Blicke durchs Schlüsselloch sind schon einmal erlaubt …
Das fünfte Gebot
Jugendliche aus dem Bezirk Wiesbaden haben bei der Verlosung das fünfte Gebot gezogen: Du sollst nicht töten. Etwa 20 Jugendliche und Jugendbetreuer kommen seither regelmäßig zusammen, um ihren Teil des Besinnungswegs zu gestalten. Nach einem ausführlichen Brainstorming haben sie sich auf einige Schwerpunkte geeinigt, die ein weites Verständnis des fünften Gebots zeigen. Wie gehen wir Menschen mit Gottes Schöpfung um und inwiefern fällt das unter das fünfte Gebot?
Diese Frage wird ebenso gestellt wie die nach dem Umgang der Menschen miteinander, außerdem sollen Abtreibung, Sterbehilfe oder Suizid thematisiert werden. Schließlich wollen die Jugendlichen einen Bezug zum Leben Jesu herstellen, der selbst getötet wurde. Wie genau sie diese Themen umsetzen werden, wollen die Wiesbadener Jugendlichen noch nicht verraten, aber spannend wird dieser Raum ganz sicher.
Das siebte und das achte Gebot
Wo kann man Kleiderstoff kaufen, der nicht brennbar ist? Welches Baumaterial lassen die Brandschutz-Bestimmungen der Messe Düsseldorf für die Aufbauten in den Hallen zu? Was diese Fragen mit den Zehn Geboten zu tun haben, weiß Jugendbetreuer Holger Schreiber. Sein Bezirk Frankfurt hat die Gebote sieben und acht übernommen: „Du sollst nicht stehlen“ und „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“. Holger Schreiber bringt Erfahrung mit, seine Jugendgruppe hatte sich bereits beim Europa-Jugendtag vor zehn Jahren am Besinnungsweg Walk the Lord‘s Prayer beteiligt und eine Weg-Station gestaltet. Deshalb war ihm schon im März 2018, als das Projekt Dein Weg den Jugendbetreuern vorgestellt wurde, klar, dass er so schnell wie möglich mit einer Gruppe engagierter, kreativer und ausdauernder Jugendlicher an die Arbeit gehen muss.
Zwölf Jugendliche hat der Priester gefunden, die seither schon achtmal samstags zusammenkamen und fünf bis sechs Stunden lang Ideen gesammelt, diskutiert, Skizzen angefertigt und Modelle gebaut haben. Seit September steht das Konzept, die Jugendlichen haben entschieden, wie sie den Raum, der ihnen in der Messehalle zur Verfügung gestellt wird, gestalten wollen. Jetzt könnte es eigentlich ans Nähen, Sägen, Malen gehen – wären da nicht die oben genannten Fragen. Holger Schreiber hat schon einige Baumärkte abgeklappert auf der Suche nach nicht brennbaren Materialien, die die Jugendlichen verarbeiten können, die bezahlbar sind und von der Messe als unbrennbar akzeptiert werden. Die Lösung: Ytong-Steine. Also sind die Jugendlichen nun damit beschäftigt, Figuren aus Ytong zu schneiden und in Form zu feilen. Diese werden am Internationalen Jugendtag die Besucher auf ihrem Weg durch die beiden Gebote begleiten. Außerdem wird es selbstgebastelte Kameras geben, die den Besuchern zeigen sollen, dass nichts, was sie tun, ungesehen bleibt – und zwar überall auf der Welt, daran erinnert ein großer Pappmaché-Globus, der noch vom Europa-Jugendtag stammt und nun für das neue Projekt recycelt wird.
In einer Ecke des Raums symbolisieren Gitterstäbe ein Gefängnis und damit die Konsequenzen, die folgen, wenn jemand die beiden Gebote nicht beachtet. Und ein Monitor soll installiert werden, auf dem ein Film zum Thema zu sehen sein wird, den die Jugendlichen selbst drehen wollen. Einen Gerichtssaal wollen die Jugendlichen auch nachbauen. Zum Glück hat Holger Schreiber auf seinem Grundstück eine Werkstatt, in der die Jugendlichen sägen, feilen und bauen können, und Platz genug, um alles bis zum IJT zu lagern. Warum nimmt er zum zweiten Mal die Arbeit und den Stress auf sich? „Weil es mir so viel Spaß macht, mit den Jugendlichen zu arbeiten und zu sehen, was alles in ihnen steckt. Und weil ich so etwas wie den EJT noch einmal erleben möchte. Als ich damals in der Arena stand nach dem Gottesdienst inmitten der 35 000 Geschwister – da dachte ich, jetzt muss eigentlich der Herr kommen. Ich bekomme jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke! Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen das am IJT auch erleben können.“
Das Gebot der Liebe
»Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt«. Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt 22,37–39).
Dieses Doppelgebot der Liebe, das Jesus formuliert hat, hat die Jugendgruppe aus dem Bezirk Mainz bei der Verlosung gezogen.
Um den Besuchern des Besinnungswegs dieses Gebot nahezubringen, haben sich die Jugendlichen einiges einfallen lassen. Die Wände in ihrem Abschnitt des Wegs wollen sie mit einer Foto-Ausstellung schmücken, deren Bilder die Besucher mit ihren eigenen Vorurteilen gegenüber anderen konfrontiert. Den Raum werden sie in zwei Bereiche teilen, je einen für die beiden Teile des Gebots. Im ersten Bereich werden die Besucher angeregt, sich über ihre Liebe zu Gott Gedanken zu machen und diese auch zu Papier zu bringen.
Im zweiten Bereich soll es mehrere Stationen geben, unter anderem einen Wasserlauf, an dem Besucher einander die Füße waschen und so die von Jesus gepredigte und in der Fußwaschung praktizierte Nächstenliebe selbst beweisen können. Außerdem wird es Denkanstöße geben für Jugendliche, die sich unbeliebt oder unattraktiv fühlen – sie sollen erfahren, dass Gott sie genauso liebt, wie sie sind. Die Mainzer Jugendlichen wünschen sich, dass diese Erfahrung die Besucher dazu bringt, auch andere mit Gottes Augen zu betrachten und vielleicht auf jemanden zuzugehen, den sie bisher nicht beachtet haben.
Damit sie das nicht vergessen, können sich die Jugendlichen ein Herz auf die Haut stempeln lassen, das sie über den gesamten IJT hinweg daran erinnert, dem Nächsten etwas Gutes zu tun.
Die Weggabelung
Mit dem sogenannten elften Gebot endet der Besinnungsweg noch nicht, erklärt Johannes: „Wir möchten deutlich machen, dass es Tag für Tag unserer persönlichen Entscheidung für oder gegen die Gebote und damit für oder gegen Gott bedarf. Deswegen teilt sich der Weg am Ende: Auf der einen Seite führt er ins Nichts, auf der anderen Seite geht er weiter. Mit der Entscheidung für eine der Seiten ist es aber nicht getan. Diese Entscheidung hat Konsequenzen für uns, das wollen wir mit einer Art Hürdenlauf darstellen. Dabei gilt es Dinge zu überwinden wie zum Beispiel Hass, Neid, Ignoranz, das eigene Ego. Wer das geschafft hat, der hat sich auf die Vergebung der Sünden vorbereitet – das stellen wir in einem Abschnitt dar, den ich besonders schön finde: in einem hell erleuchteten Raum, in den die Besucher eintreten können. Dieser soll den Jugendlichen ein Bild für die Sündenvergebung mitgeben, an das sie sich später im Gottesdienst erinnern können. Wir denken außerdem über kleinere Aktionen und Give-aways nach, momentan schweben einige Ideen im Raum, vieles ist noch nicht endgültig entschieden.“
Es bleibt also spannend. Wer mehr wissen will, sollte am IJT in Halle 6 nicht nur die Stände der Gebietskirchen besuchen, sondern auch den Besinnungsweg.
Text entnommen aus: "Spirit - das junge Magazin für neuapostolische Christen", Ausgabe Nr. 01|19, S. 28 - 31 © Verlag Friedrich Bischoff GmbH, Neu-Isenburg
Seit März 2017 veröffentlicht die Zeitschrift "Spirit" Neuigkeiten rund um den Internationalen Jugendtag unter der sogenannten Rubrik "IJT-Countdown".
Der Vaterunser-Weg am Europa-Jugendtag 2009
26. April 2019
Text:
Annette Conrad
Fotos:
Oliver Rütten,
Holger Schreiber,
spirit